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Schattenspender für Liftboys und Livländer

Lichtenau Vieles muss zuweilen geschehen, damit ein Baum das Licht des Tals erblickt. Das wurde deutlich bei der Pflanzung der Robert-Gernhardt-Linde am Samstag in der Lichtenau, wo an diesem Wochenende nicht nur ein "Europäischer Kulturweg" eröffnet wurde, sondern auch die Aktionsgemeinschaft Hafenlohrtal ihr 25-jähriges Bestehen feierte.

1927 wanderte Kurt Tucholsky durch den Spessart. Nach seinen Worten eine Landschaft, die so alt ist, dass es sie nicht mehr gibt. Da es sie 1967 doch noch gab, folgte der Schriftsteller, Maler und Zeichner Robert Gernhardt mit einigen Kollegen der "Neuen Frankfurter Schule" Tucholskys Spuren. Sie tranken irrtümlich in Mespelbrunn so viel Wein vom Würzburger Stein, dass sie in der richtigen Lichtenau angelangt, wo ihm Tucholsky zugesprochen hatte, nur mehr mit brummendem Kopf durchziehen konnten. In dem Büchlein, in dem er dieses festhielt, fragt sich Gernhardt unter anderem, ob er jemals eine Linde mit seinem Namen erhalten würde. Dies kam den Mitarbeitern des Archäologischen Spessart-Projekts (ASP) zu Ohren und sie haben, wie Dr. Gerrit Himmelsbach meint, "gehandelt".

Anlässlich der Eröffnung des Europäischen Kulturweges im Hafenlohrtal wurde am Samstag die "Robert-Gernhardt-Linde" gepflanzt - in Anwesenheit des Poeten und seines ihm in der Toskana zugelaufenen Hundes. Der Dichter allitererierte, dass die Linde in der Lichtenau alle beschatten möge, die Linsengerichtler und die Lissabonner, die Lippenblütler und Liz Taylor, Lieselotte Pulver und die Liftboys. Auch die Livländer. Die letzteren vielleicht deshalb, weil Gernhardt 1937 in Reval, der heutigen estnischen Hauptstadt Tallinn geboren ist. Gernhardt bedauerte, dass sein eigener Name nicht zur Linde passe. Eine Lichtenberg-Linde in der Lichtenau wäre besser gewesen. Als Gernhardt verdiene er höchstens Geranien in Gera. Mit Baumpflanzungen habe er aber schon früher zu tun gehabt, erzählte der Poet. Er habe Pinien in seiner Zweitheimat Toskana gepflanzt und mitgewirkt am Programm "Erna, der Baum nadelt". Letztere Gefahr besteht bei der Linde nicht.

Mit Hand an den Spaten gelegt haben bei der Baumpflanzung Bürgermeister, Vertreter der Aktionsgemeinschaft Hafenlohrtal und Staatsminister Eberhard Sinner. Aufmerksam gemacht, dass Schaufel und Erde rot wären, antwortete Sinner schlagfertig: "Rote Erde ist nur fruchtbar, wenn sie schwarzen Humus hat." In seiner Rede erinnerte sich Sinner seiner Wurzeln im Spessart und an seine ersten Fahrversuche auf dem Eselsweg. Er bezeichnete den Spessart als Mitte Deutschlands, wo der Mensch unserer Zeit, der unter Hast und Stress leidet, "die Wurzeln seines eigenen Seins" finden könne. Die Schöpfung sei uns nur gegeben: "Schöpfung heißt nicht, dass wir uns an die Stelle des Schöpfers setzen." Sinner meinte, es gäbe deshalb 1000-jährige Eichen, weil andere vor uns ähnlich gedacht hätten. Die Aufgabe der neu gepflanzten Linde sei es, langsam Ringe anzusetzen und nicht, große Sprünge zu machen. "Bäume haben ein längeres Leben als alles vom Menschen Geschaffene."

Den Treff in der Lichtenau hatten die verschiedenen Teilnehmer in einer "Sternwallfahrt" als Radler mit Ausgangspunkten in Weibersbrunn, Rothenbuch und Marktheidenfeld angesteuert. Bei der Enthüllung des Kulturweg-Schildes in Hafenlohr hatte Landrat Armin Grein gesagt: "Vorläufig scheint die Idylle gerettet, die Pläne für den Trinkwasserspeicher scheinen zurückgestellt, aber noch ist der Plan, der unser Hafenlohrtal bedroht, im Landesentwicklungsplan in München enthalten. Deshalb müssen wir wachsam bleiben. Wir wollen erreichen, dass das Hafenlohrtal als Flora-Fauna-Habitat-Fläche ausgewiesen wird". Begleitet wurde die Lindentaufe durch die Alphorngruppe "Alptraum" aus Dorfprozelten. Die Hörner wurden übrigens vom Hund des Literaten durch rhythmisches und melodisches Bellen tapfer begleitet. Schon bei der Begrüßung der "sehr verehrten Damen und Herren" durch Himmelsbach hatte sich der Vierbeiner lautstark in Erinnerung gebellt. Aber Himmelsbach war schon Kummer gewohnt. Er berichtete, es sei nicht einfach gewesen, die Münchner Bürokratie bei der Einladung des Ministers davon zu überzeugen, dass das Hafenlohrtal nicht zum hessischen Ausland gehöre. Gerhard Ermischer vom ASP steuerte den historischen Hintergrund, auch zu den Alphörnern im Spessart bei. Im 18. und 19. Jahrhundert hatten sich Schafhirten im Spessart bereits durch Hörner verständigt. Nachdem Unterfranken bayerisch wurde, hatte Ludwig I. hier oberbayerische Trachten und Alphörner eingeführt, um ein gesamt-bayerisches Nationalbewusstsein zu schaffen. Dann berichtete Ermischer über die lange literarische Tradition des Spessarts, die bis ins Nibelungenlied zurück reiche, auch wenn die Odenwälder behaupteten, der Spechtshardt läge "irgendwo bei ihnen".

 


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