Am 5. November war das 7. Aschaffenburger Herbstgespräch. Redner des Abends war Theodor Weimer, Vorstandssprecher der HypoVereinsbank.
Weimer hielt es für bitter, dass der Beruf des Bankers ein so schlechtes Ansehen habe wie derzeit - nur noch „geschlagen" von Prostituierten und Ex-Sträflingen. Er fordert Konsequenzen für die Wirtschaft und Politik:
»Wir müssen weg von der Kurzfrist-Orientierung, wir brauchen Nachhaltigkeit. « Das gelte nicht nur in der Wirtschaft, sondern in allen Bereichen des Lebens, also auch in Bildung, Forschung oder in Beziehungen. Den Politikern attestierte Weimer, in der Krise alles richtig gemacht zu haben. Er warnte aber vor Selbstüberschätzung. Die Politik könne jetzt nicht für alles der Rückversicherer sein. »Wir bekämpfen Schulden mit Schulden. Ein zweites Mal wird das nicht gutgehen. 80 Prozent unserer schönen Republik sind fremdfinanziert. « Deutschland sei höher verschuldet als jede „Heuschrecke". Das ist ungesund. Erste Priorität müsse deshalb eine Erhöhung der Eigenkapital-Quote auf 30 bis 35 Prozent bekommen.«[i]
Nicht nur in Deutschland, sondern global ist das die Beschreibung der Welt im Jahr 2009/2010. Gestern schreckten Zahlungsprobleme Dubais die Anleger auf und schickten den DAX kräftig in das Minus.
Die Veranstaltung mit Weimer fand im Ridingersaal des Renaissanceschlosses statt. Dieses Schloss war im Auftrag des Mainzer Kurfürsten Johann Schweikhard von Kronberg war von 1604 bis 1616 durch den Straßburger Architekten und Baumeister Georg Ridinger erbaut worden.
Zum Mainzer Gebiet gehörte damals auch der Spessart. Der Bedarf an Bauholz für den Bau des Schlosses war ungeheuer groß. Das Bauholz wurde aus den Spessartwäldern gewonnen, die masttragenden Eichen blieben stehen. In den Wirren des dreißigjährigen Krieges flüchteten die Menschen aus den Dörfern in den Wald, weideten ihr Vieh in den lichten Wäldern und zogen sich nach dem dreißigjährigen Krieg wieder in die Dörfer zurück. So entstanden auf diesen Flächen ausgedehnte Eichenwälder, die in der bayerischen Zeit ab Beginn des 19. Jahrhunderts künstlich mit Buche unterbaut wurden.
Im dreißigjährigen Krieg eroberte Gustav Adolf Aschaffenburg und war nahe daran das Schloss zu zerstören. Ein Aschaffenburger wies ihn darauf hin, dass das Schloss Räder habe, das war das Mainzer Rad, und er damit das Schloss nach Schweden transportieren könne. Dieser Einfall belustigte den König so, dass er auf die Zerstörung des Schlosses verzichtete. Er drehte kein großes Rad, sondern es blieb beim kleinen Mainzer Rad. Es wurde auch kein Luftschloss gebaut, sondern es blieb beim soliden Schloss aus Sandstein, das heute noch steht.
Heute stehen auch noch die im dreißigjährigen Krieg aus Naturverjüngung entstandenen 350-400 Jahre alte Eichen im Hochspessart. Der Heisterblock ist der größte zusammenhängende Wald aus Alteichen in Europa.
Er ist ökonomisch und ökologisch wertvoll:
Die höchsten Holzpreise in Europa werden in diesem Heisterblock erzielt.
In diesen Wäldern kommen aber auch zahlreiche xylobionte Käferarten als Weiser für naturnahe Strukturen vor.
Heinz Bussler und Harald Loy beschreiben die ökologische und ökonomische Wertigkeit: »Die moderne Gesellschaft kennt den Preis von allem und den Wert von nichts. Unsere Aufgabe ist es, zu vermitteln dass sich der Wald nicht auf eine Deckungsbeitragsrechnung reduziert. Wir müssen aber auch beweisen, dass die Integration von Ökonomie und Ökologie auf der Fläche keine Ausnahme ist, sondern eine ständige Herausforderung, an der wir uns messen lassen müssen: ein forstliches Meisterstück.[ii]
Die Nachhaltigkeit gehört zu den Prinzipien, die in der deutschen Forstwirtschaft und Forstwissenschaft entstanden sind und entwickelt wurden. Die Integration von Ökonomie und Ökologie auf der ganzen Fläche ist auch in der Nachhaltigkeitsstrategie und im Nachhaltigkeitsbericht des bayerischen Staatsforstbetriebes dokumentiert. Die Eigenkapitalquote des bayerischen Staatsforstbetriebes liegt bei über 40 %, so im Nachhaltigkeitsbericht 2009 ausgewiesen.
Natürlich ist die Eigenkapitalquote unterschiedlich, wenn man die verschiedenen Definitionen betrachtet. Der bayerische Staatsforstbetrieb berechnet die Eigenkapitalquote als Verhältnis des eingesetzten Eigenkapitals zum Umsatz.[iii]
Bei den Banken ist dies in dem Regelwerk Basel I und Basel II festgelegt. Basel I verlangt im Verhältnis zu den Aktiva mindestens 8 % Eigenkapital. Basel II ändert an dieser Quote grundsätzlich nichts, die Aktiva werden jedoch mit einem Risikofaktor von 0 % bis 150 % je nach Rating des Geschäftspartners bewertet und müssen jeweils mit 8 % Eigenkapital hinterlegt sein.
Basel II wurde in Europa umgesetzt, in den Vereinigten Staaten nicht eingeführt, obwohl von dort gefordert. Allerdings wurden die Basel II-Regelungen auch in Europa durch die Gründung von sogenannten Zweckgesellschaften zum Beispiel in Irland durch verschiedene Banken umgangen.
Die jetzige Finanz-und Wirtschaftskrise ist also das Ergebnis einer nicht nachhaltigen Wirtschaftsweise. Wir leben in einer Welt auf Pump zulasten kommender Generationen.
Vorhandene Risiken wurden ignoriert, falsch eingeschätzt oder in einem Versuch der Risikominderung weltweit verteilt. Die dabei entwickelten »Finanzprodukte« haben sich als »finanzielle Massenvernichtungswaffen« - so bezeichnet sie der amerikanische Multimilliardär Warren Buffet- herausgestellt und haben überall dort, wo sie eingeschlagen haben, verheerend gewirkt. Getroffen haben diese Waffen nicht nur Banken. Es war die gesamte Wirtschaft, es waren Millionen von Arbeitsplätzen betroffen. Das Vermögen von Millionen von Menschen wurde vernichtet.
Die zentrale Forderung ist deshalb die Rückkehr zu einer Politik der Nachhaltigkeit. Die Kriterien der Nachhaltigkeit sind nicht so einfach erkennbar und umsetzbar wie dies in der Forstwirtschaft seit Jahrhunderten als Selbstverständlichkeit praktiziert wird.
Das Beispiel Aschaffenburg zeigt: eine Investition, wie der Schlossbau wurde finanziert, gleichzeitig wurde der Grundstock für ein in der Zukunft wachsendes ökologisches und ökonomisches Vermögen gelegt.
Vergleichen wir die heutige Politik so stecken wir bisher im Krisenmanagement, gekennzeichnet durch hohe Neuverschuldung und Instrumente wie die Abwrackprämie. Mit 5 Milliarden € werden nicht zukünftige Werte, sondern rollende Verluste für die Zukunft finanziert. Es werden keine Wachstumsimpulse gesetzt.
Neue Schulden, die von kommenden Generationen finanziert werden müssen, müssen diesen Generationen eine ökonomische und ökologische Dividende und nicht nur Zins-und Tilgungslasten bringen. Ich halte es nicht für fair, unsere Rechnungen die nachfolgenden Generationen zahlen zu lassen.
Worin kann eine Dividende bestehen?
Die Klimakonferenz in Kopenhagen soll das Kyoto-Protokoll fortschreiben und zumindest einen politischen Einstieg in eine neue weltweit koordinierte und verbindliche Reduktion der Treibhausgase bringen, die den Temperaturanstieg auf maximal 2 °C mittelfristig begrenzt. Durch Investitionen in
können wir uns unabhängiger von den Öldiktatoren und deren Preisgestaltung machen. Gleichzeitig reduzieren wir die Kosten für die Folgen des Klimawandels und die Anpassung an den Klimawandel. Für die Amerikaner und auch für uns erwächst daraus ein zusätzlicher Nutzen an nationaler Sicherheit. Thomas Friedman[iv] von der New York Times hat dies als »Outgreening the Talibans" bezeichnet. Die Ölquellen sind nicht nur Reichtum, der für friedliche Zwecke eingesetzt wird, sie dienen auch der Finanzierung terroristischer Aktivitäten durch die Petrodollars der westlichen Welt. Diesen Kreislauf zu unterbrechen macht im Interesse der nationalen Sicherheit Sinn. „ No Mullah left behind" war deshalb ein zentraler Vorwurf an die Politik von George W. Bush.
Bayern hat beste Voraussetzungen für "grüne Arbeitsplätze " im Inland und für den Export grüner Dienstleistungen und Produkte auf die Märkte der Welt.
auf dem Bildungsgipfel in Dresden im Oktober 2008 haben alle Länder und der Bund beschlossen, die Ausgaben für Bildung und Forschung bis 2020 auf 10 % des Bruttoinlandsprodukts zu steigern. Bildung ist der Schlüssel für produktive Arbeitsplätze, soziale Sicherheit und Wachstum in der Zukunft. Angesichts der demographischen Entwicklung darf kein Talent zurückbleiben. In der Europäischen Union ist dieses Ziel in der Lissabon -Strategie seit 2000 auf der Agenda, ohne dass wir bisher entscheidend vorangekommen sind. Ziel ist Europa zum wettbewerbsfähigsten, wissensbasierten Raum der Welt zu machen. Dies sollte schon im Zeitraum von 2000-2010 erfolgen. Der frühere Präsident der Europäischen Kommission, Romano Prodi musste bei seinem Abschied 2004 feststellen, dass diese Strategie bisher gescheitert ist. Die Barroso-Kommission I hat eine Neuauflage dieser Strategie beschlossen, die mit Sicherheit von der Barroso-Kommission II fortgesetzt wird. Es ist erklärtes Ziel, die Forschungspolitik der Europäischen Union auszubauen und auch die Aufwendungen im 8. Forschungsrahmenprogramm deutlich zu erhöhen (von 53 Milliarden auf 100 Milliarden € in sieben Jahren).
die Finanzmärkte der Welt sind in den letzten Jahren durch unkontrollierte Finanzprodukte kollabiert, die Wirtschaft ist in die tiefste Krise seit dem Zweiten Weltkrieg gestürzt worden. Wir haben übersehen, dass nationale Regelungen auf globalen Märkten nicht greifen können. In vielen Bereichen haben wir Schutzmechanismen installiert, die die auch auf globalen Märkten greifen. Die Märkte für Medizinprodukte, Lebensmittel und für Chemieprodukte haben Standards, die international beachtet werden. Riskante Produkte kommen, zumindest legal, nicht auf den Markt oder können vom Markt genommen werden. Solche Regulierungen gibt es für Finanzprodukte und Finanzmärkte noch nicht. Wenn man den freien Kapitalverkehr weltweit hat, braucht man auch weltweite Regeln. Die Europäische Union kann hier ein Beispiel liefern, wie sich der Binnenmarkt organisiert und reguliert. Die Vorteile des großen offenen Marktes müssen mit der Sicherheit und Verlässlichkeit international anerkannter Regulierungsstandards verbunden werden. Nur so kann Wachstum nachhaltig gesichert werden. Die Ratifizierung des Lissabonvertrages, der in wenigen Tagen am 1. Dezember 2009 in Kraft tritt, hat die Voraussetzungen für eine solche Politik wesentlich verbessert. Die Paragraphen des Vertrages müssen jetzt mit Leben erfüllt werden. Europa muss über seine wirtschaftliche Macht hinaus auch seiner politischen Verantwortung für die Nachhaltigkeit gerecht werden.
einheitliche globale Regeln sind notwendig. Wir brauchen aber auch dem »eisernen Gesetz des Örtlichen« folgend die Vielfalt. In der Politik nennt man das Subsidiarität, die am besten im Föderalismus verwirklicht wird. In der Forstwirtschaft ist es der gemischte Wald, der eindeutig der Monokultur vorzuziehen ist. Eine Ursache der Finanzkrise ist die Geldanlage in immer riskanteren Finanzprodukten. Mit zu wenig Eigenkapital wurde ein immer größeres Rad gedreht. Die Eigenkapitalrenditen hatten nichts mehr mit dem realen Wachstum der Wirtschaft zu tun. Sie waren Wetten auf die Entwicklung von Preisen in der Zukunft. Die Investmentbanker folgten einem Herdeninstinkt, der sie und uns alle letzten Endes an den gleichen Abgrund brachte. In der Forstwirtschaft würde man von großflächigen Monokulturen mit den am schnellsten wachsenden Baumarten sprechen. Wie wir inzwischen wissen, funktioniert das weder im Wald noch in der City. Wenn großflächige Wälder oder systemrelevante Banken zusammenbrechen, hat das massive Kollateralschäden für alle zufolge. Vielfalt, Subsidiarität und Föderalismus sind deshalb Sicherungen, die wir einbauen müssen.
Es geht aber noch um mehr: Gerade in Zeiten der Globalisierung ist der Föderalismus Voraussetzungen für immer wieder neue Ansatzpunkte der Kreativität und Innovation. Als Tony Blair Schottland im Prozess der devolution nach 1998 Zuständigkeiten von Westminster abgab, war dies nicht nur ein Nachgeben gegenüber den widerspenstigen Schotten. Was beabsichtigt war, war auch einen Prozess des »learning from the best rather than from national mistakes« einzuleiten. Tony Blair und seine Mitstreiter hatten erkannt: »Competition at home ist he best school for global competitivness«.
Deshalb ist der europäische Ansatz „Vielfalt in der Einheit" die beste Möglichkeit Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und der Vielfalt der menschlichen Talente, Sprachen, Religionen, Nationen und Regionen gerecht zu werden. Globalisierung mit dem Ergebnis der Coca-Colarisierung der Welt wäre sicher kein Erfolgsrezept für die Zukunft, genauso wenig wie das Einheitsbier von den Alpen bis zur Nordsee. Wir legen gerade in Freising, dem Mekka der Braukunst, Wert auf das Reinheitsgebot von 1516, aber auch auf die Vielfalt der Biersorten. Das Reinheitsgebot bedeutet kein Einheitsgebot! Die Europäische Union legt Spielregeln fest, wie man Bier brauen darf, ohne dass von diesem Produkt außer bei übermäßigem Genuss gesundheitliche Schäden verursacht werden. Wir können diese Regeln enger fassen, uns sozusagen selbst diskriminieren, indem wir das europäische Recht nicht eins zu eins umsetzen. Das Reinheitsgebot ist ein Beispiel Vielfalt in der Einheit!
Die Forstwirtschaft hat über Jahrhunderte das Prinzip der Nachhaltigkeit für den Wald entwickelt und zum ersten Mal 1712 kodifiziert. Inzwischen wird das Prinzip der Nachhaltigkeit im Wald europaweit umgesetzt und weltweit anerkannt.
Nachhaltigkeit bedeutet Verzicht auf maximale Rendite in der Gegenwart, aber Sicherung der Zukunftsfähigkeit. Damit hat dieser Begriff nicht nur eine ökonomische und ökologische, sondern eine ethische Dimension: es geht um eine enkelgerechte Politik, um einen Generationenvertrag mit den heute noch nicht Geborenen. Wenn es im dreißigjährigen Krieg möglich war, Wälder zu begründen, die heute zum europäischen Kultur-und Naturerbe gehören, dann sollten wir es auch schaffen unser globales Dorf so zu organisieren, dass unsere Enkel mindestens die gleichen Lebenschancen haben, die wir auch für uns in Anspruch nehmen. Was wir lernen müssen: weder im Wald noch in der City wachsen die Bäume in den Himmel! Deshalb sollten wir auf nachhaltiges Wachstum der Wälder und der Wirtschaft setzen und damit den Teufelskreis zwischen boom and bust durchbrechen.
[i] Main-Echo vom 7. November 2009
[ii] Heinz Bussler und Harald Loy, Xylobionte Käferarten im Hochspessart als Weiser naturnaher Strukturen im Hochspessart www.lwf.bayern.de/.../w46-08-xylobionte-kaeferarten-hochspessart-weiser-naturnaher-strukturen.pdf
[iii] Nachhaltigkeitsbericht 2009
[iv] Thomas L. Friedman, Hot, Flat, and Crowded, Penguin Books London New York 2009