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Es muss etwas geschehen
Warum das Medienkonzentrationsrecht überarbeitet werden sollte
Von Eberhard Sinner

Leitartikel Funkkorrespondenz vom 20. Februar 2009
Die Debatte über eine Reform des deutschen Medienkonzentrationsrechts hat vor drei Jahren eingesetzt. Anlass waren die Entscheidungen des Bundeskartellamts und der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK), die Übernahme der Pro Sieben Sat 1 Media AG durch die Axel Springer AG zu untersagen. Insbesondere am Veto der KEK übten vor allem konservative Politiker Kritik. Auch die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) kritisierte seinerzeit die KEK und deren Prüfmethode. Die Verfechter einer Novelle des Medienkonzentrationsrechts versprechen sich davon größere Spielräume für inländische Medienunternehmen beim Kauf von heimischen Firmen. Doch bisher ist es nicht zu Änderungen der Vorschriften gekommen, nicht zuletzt deshalb, weil in den vergangenen Jahren die EU-Beihilfeprüfung zur deutschen Rundfunkfinanzierung die Medienpolitik stark beanspruchte. Doch inzwischen steht bei den Bundesländern das Medienkonzentrationsrecht wieder auf der Tagesordnung. Im folgenden FK-Beitrag beschreibt Eberhard Sinner, warum und in welchen Punkten aus seiner Sicht das Medienkonzentrationsrecht geändert werden sollte. Sinner, Jg. 1944, war von November 2005 bis Oktober 2008 im Rang eines Staatsministers Chef der bayerischen Staatskanzlei und in dieser Funktion auch für die Medienpolitik des Freistaats zuständig. Seit Anfang Dezember 2008 ist er medienpolitischer Sprecher der CSU-Landtagsfraktion. In der nächsten FK-Ausgabe wird die KEK-Vorsitzende Insa Sjurts auf den Artikel von Eberhard Sinner antworten.

 

Nicht nur in Deutschland, sondern auch in den Vereinigten Staaten und in Frankreich steht die Konzentration von Medienunternehmen auf der politischen Tagesordnung. Der französische Präsident Nicolas Sarkozy hat die Bildung „internationaler Medien-Champions" gefordert.[i] Alle Unternehmer, die solche Medienhäuser aufbauen könnten, gehören zum engeren Freundeskreis von Sarkozy. Der französische Staat unterstützt bereits heute die Medienwirtschaft des Landes mit 283 Mio Euro pro Jahr. Dennoch steht sie nach Meinung von Sarkozy am Abgrund, weshalb der Präsident eine breite Palette von Hilfen ankündigte: Die Vertriebszuschüsse sollen von 8 Mio auf 70 Mio Euro angehoben werden. Die französische Regierung will außerdem Anzeigen im Wert von jährlich 20 Mio Euro schalten. Jeder 18-Jährige soll darüber hinaus ein Jahr lang gratis ein Abonnement einer Zeitung seiner Wahl erhalten.

Das Wochenblatt „Die Zeit" berichtete am 22. Januar unter der Überschrift „Falsche Freunde"[ii] über den Einfluss von Großindustriellen auf die französische Presse: „Die Wirtschaftszeitung ‘Les Echos‘ gehört inzwischen dem Milliardär Bernard Arnault, der bestimmender Aktionär des Luxusgüterkonzerns LVMH ist (Louis Vuitton, Moët et Chandon). Der Industrielle Serge Dassault kaufte sich ‘Le Figaro‘, während der Investor Edouard de Rothschild ‘nur‘ einen Anteil an ‘Libération‘ erwarb, genauso wie der Rüstungs- und Medienunternehmer Arnaud Lagardère bei ‘Le Monde‘. Mit den Milliardären haben die Zeitungen aber nicht etwa Stabilität gewonnen: Die Auflagen sinken. Und die Blätter können nicht mehr glaubwürdig - manchmal auch nicht frei - über Rüstungsgeschäfte berichten oder über Luxusgüter oder über enge Freunde des Besitzers, etwa den französischen Präsidenten."

Branchenfremde Investoren im Medienbereich

Auch in den Vereinigten Staaten erwarben in der jüngeren Vergangenheit Branchenfremde Beteiligungen im Medienbereich, insbesondere an Zeitungshäusern. So stieg bei der „New York Times" der mexikanische Milliardär Carlos Helù Slim ein und kaufte für 250 Mio Dollar Schuldscheine. „Die Zeit" fragt zu recht: „Ist es ökonomisch sinnvoll und im Sinne des Gemeinwohls, wenn branchenfremde Milliardäre jene Orte kontrollieren, an denen öffentliche Debatten stattfinden, wo sich Bürger umfassend informieren?" „Die Zeit" befürchtet einen Schaden für die Pressefreiheit, wenn Milliardäre sich Zeitungen kaufen.

Ähnliche Beispiele lassen sich auch in Deutschland finden: Der britische Medieninvestor David Montgomery hat sich an der „Berliner Zeitung" versucht und muss sich jetzt aus Deutschland wieder zurückziehen. Der in Köln ansässige Verlag M. DuMont Schauberg hat die „Berliner Zeitung" gekauft und ist damit zum drittgrößten Zeitungshaus Deutschlands aufgestiegen. Seit dem Einstieg von Montgomery im Jahr 2005 sanken Auflage und Qualität der „Berliner Zeitung". Jetzt erhofft man sich dort wieder neuen Schwung unter dem Dach eines renommierten Verlags.

Für den US-Medienunternehmer Haim Saban und dessen sechs Partner, allesamt Finanzinvestoren, hat sich - im Gegensatz zu Montgomery - der Einstieg bei der Pro Sieben Sat 1 Media AG im Jahr 2003 finanziell sehr gelohnt. Beim Kauf hatten sie etwa 7,50 Euro je Aktie bezahlt. Die Finanzfirmen KKR und Permira waren vier Jahre später bereit, an Saban & Co. für die entscheidenden Stammaktien 28 bis 29 Euro pro Anteilsschein zu überweisen. Insgesamt bezahlten KKR und Permira für die Übernahme der Mehrheit bei Pro Sieben Sat 1 rund 3 Mrd Euro. Inzwischen hat sich bei dem Konzern die Situation, auch nach dem Abgang des Vorstandsvorsitzenden Guillaume de Posch Ende 2008, verschärft. Die Pro Sieben Sat 1 Media AG befindet sich im Umbruch. Über 3 Mrd Euro Schulden, die durch die kreditfinanzierte Übernahme der Sendergruppe SBS Broadcasting entstanden sind, sowie rückläufige Werbeeinnahmen und Quoten auf dem Heimatmarkt sind massive Herausforderungen.

Internationalisierung und crossmediale Verflechtungen

Dass die Pro-Sieben-Sat-1-Gruppe 2007 von KKR und Permira übernommen wurde, lag letztlich daran, dass die Axel Springer AG Anfang 2006 für ihr Vorhaben, den TV-Konzern zu übernehmen, kein grünes Licht erhielt. An der kartell- und medienrechtlichen Ablehnung dieses Übernahmeversuchs entzünden sich bis heute die Diskussionen. Dabei geht es im Kern darum, ob das deutsche Medienkartell- und Medienkonzentrationsrecht noch zeitgemäß ist. Die Entscheidung des Bundeskartellamts und der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) werden weiterhin ebenso heftig kritisiert wie verteidigt. Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hat am 3. Dezember 2008, fast drei Jahre nach dem Übernahmeversuch, den damaligen Untersagungsbeschluss des Kartellamts bestätigt. Gegen die OLG-Entscheidung hat der Springer-Konzern Beschwerde beim Bundesgerichtshof (BGH) eingelegt. Bis zu einer endgültigen Entscheidung kann es deshalb noch Jahre dauern.

Unterdessen geht die Konzentration der Presse auch in Deutschland weiter. Sinkende Auflagen zwingen zur Rationalisierung. Der Medienforscher Horst Röper spricht vor diesem Hintergrund von einem Konzentrationssprung auf dem Markt der Tageszeitungen.[iii] Fast 45 Prozent der Auflage stammen von fünf Verlagsgruppen, 58,5 Prozent von den zehn größten Gruppen. Noch nie zuvor seit 1989 war der Konzentrationsgrad in der Tageszeitungsbranche so hoch. Die Axel Springer AG bleibt zwar auf Rang 1, hat aber seit dem Jahr 2000 Marktanteile verloren, und zwar in Form eines Rückgangs von 23,6 auf 22,1 Prozent.

Die seit Oktober 2005 in Berlin regierende große Koalition aus CDU/CSU und SPD hat sich in ihrem Koalitionsvertrag auch zum Themenfeld Medien geäußert: „Die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Medienstandort Deutschland müssen, insbesondere durch eine Reform der Medien- und Kommunikationsordnung, in Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern den technischen Entwicklungen angepasst werden. Rasante Veränderungen im Bereich der Telekommunikation, des Rundfunks, der Telemedien und die zunehmende Konvergenz der Medien machen einen einheitlichen Rechtsrahmen erforderlich. Dabei wollen die Koalitionspartner insbesondere die Pressevielfalt, die Bürgerrechte und den besonderen Schutz der Journalisten sichern." Wesentliche Gründe für eine Novellierung dieser Rechtsmaterie sind die Internationalisierung, die Digitalisierung und die damit verbundenen crossmedialen Verflechtungen. Der internationale Konkurrenzkampf verlangt auch eine Straffung des Verfahrens, was zumindest im 10. Rundfunkänderungsstaatsvertrag mit einer Organisationsreform des Medienfusionsrechts teilweise gelungen ist.

Das Internet und die Digitalisierung revolutionieren die Handels- und Medienmärkte, die sich inzwischen nicht mehr in nationalen Grenzen organisieren. Den Medienmärkten folgen die Werbemärkte. Der Umsatz im Internet-Handel soll sich in den USA in diesem Jahr auf 156 Mrd Dollar (122 Mrd Euro) erhöhen. Die Werbeerlöse im Online-Bereich summierten sich in den ersten drei Quartalen 2008 auf 17,3 Mrd Dollar (13,5 Mrd Euro), im gleichen Zeitraum des Vorjahres betrug der Umsatz 15,2 Mio Dollar (11,9 Mrd Euro). Von der Zunahme der Online-Werbeumsätze profitiert hauptsächlich der US-Internet-Konzern Google. Nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland ist Google die am meisten genutzte Suchmaschine.

Zudem steigen die Anzahl und die Umsätze der Online-Käufer mit zweistelligen Raten. Hierzulande ordern derzeit mehr als 30 Mio Menschen pro Jahr Waren via Internet, wodurch Umsätze in Höhe von 19,3 Mrd Euro erzielt werden. Das iPhone von Apple und das G1 von Google, in denen Mobiltelefon und Funktionen eines Taschencomputers vereint sind, machen Märkte und Werbung noch zielgenauer, vor allen durch Tausende von Applikationen, die den einzelnen Nutzer in seinem Verhalten und in seinen Vorlieben aber noch weiter erfassbar und auswertbar machen. Es gibt so gut wie keine nationalen Märkte mehr. Wer sich eine Google-Startseite mit seinem persönlichen Nachrichtenmenü zusammenstellt, wählt aus einer ungeheuren Vielfalt im Netz. Der Markt ist unbegrenzt und hat nahezu nichts mehr mit Auflagen von Tageszeitungen und Einschaltquoten oder Anteilen an nationalen Werbemärkten zu tun.

Dramatisch geänderte Mediennutzung

Im World Wide Web existieren Milliarden von Informationen. Die meistgenutzten Online-Seiten sind die Angebote der großen Provider T-Online, AOL oder MSN (Microsoft). Sie stehen im Ranking ganz oben. Entscheidend für die Positionierung ist der Klick auf die Seite. Die Page Impressions (PI) werden gezählt. Was der Klick auf eine Seite bedeutet, ist allerdings unklar. Deshalb strebt die Arbeitsgemeinschaft Online-Forschung (AGOF) eine „zukunftsorientierte inhaltliche beziehungsweise definitorische Überarbeitung" der Messgröße Page Impression an. Als Grund nennt die AGOF die dynamische Entwicklung des Mediums Internet. Aus Sicht der Arbeitsgemeinschaft „ergibt sich die Notwendigkeit einer Anpassung der derzeitigen Definition aus der Tatsache, dass mit der Etablierung des Unique User (Netto-Reichweite eines Werbeträgers) als Online-Reichweitenwährung die historisch begründete Rolle von Page Impressions als Benchmark zur Bewertung von Online-Werbeträgern stetig an Bedeutung verloren hat."[iv] Die angestrebte Überarbeitung der PI-Definition ziele, so erläutert die AGOF, auf eine stärkere Orientierung am Werbekontaktpotenzial ab.

Das Internet bietet eine Verlängerung der Wertschöpfungskette, von der viele, wenn nicht alle Medienanbieter Gebrauch machen. Damit verbunden sind strukturelle Änderungen, die sich zum Beispiel an der Auflagenentwicklung der 1908 gegründeten US-Tageszeitung „Christian Science Monitor"  (CSM) zeigen lassen. Die Auflage betrug 1970 noch 200 000 Exemplare, seitdem ist sie um 75 Prozent gesunken. In Zukunft wird der „Christian Science Monitor" montags bis freitags nur noch online erscheinen. Ist damit die Rolle des CSM als Meinungsmacher kleiner geworden oder größer? Kompensiert die Reichweite im Internet den Rückgang der gedruckten Auflage? Dies lässt sich sicher nicht durch simple Additionen abfragen. Die Vermutung spricht eher dafür, dass sich die Reichweite vergrößert und damit auch ein Beitrag zur Vielfalt aus der Sicht des einzelnen Nutzers geleistet wird. Solche Angebote im Dschungel des Internets zu finden, ist nur mit Hilfe von Suchmaschinen möglich, die damit eine privilegierte Rolle bei der Mediennutzung erhalten.

Wie sich die Mediennutzung ändert, zeigt eine Studie des SWR-Medienforschers Walter Klingler, der Jugendliche und deren Mediennutzung über den Zeitraum von 1998 bis 2008 analysiert hat.[v] Der größte Gewinner ist das Handy, dessen Nutzung innerhalb des Untersuchungszeitraumes von 0 auf 84 Prozent angestiegen ist. Wesentlich ist aber die Zunahme der Nutzung im Internet, nicht der Verbreitungsweg. Nur 5 Prozent der Jugendlichen im Alter von 12 bis 19 Jahren surften 1998 mehrmals in der Woche im Internet; 2008 sind es 84 Prozent in dieser Gruppe! Und im Gegensatz zu 1998 haben heute 99 Prozent der Jugendlichen ein eigenes Handy und einen eigenen Computer. Darüber hinaus schenken gemäß der „JIM-Studie" 44 Prozent der Jugendlichen der Tageszeitung das größte Vertrauen. Lieblingssender der Jugend ist Pro Sieben (37 Prozent), mit deutlichem Abstand vor RTL (15 Prozent). Bei den Nachrichtensendungen rangiert in dieser Altersgruppe eindeutig das Erste Programm der ARD (45 Prozent ) an der Spitze, vor RTL (15 Prozent). Bei der Internet-Nutzung ist mit 73 Prozent die Suchmaschinenfunktion am gefragtesten. Insgesamt wird von den jungen Menschen das Internet und das Fernsehen gleich häufig genutzt. Mehr als die Hälfte der Jugendlichen hat einen eigenen Internet-Zugang. Der MP3-Player gehört zum Standard und damit auch Plattformen wie der iTunes, die das gesamte Spektrum der Medienwelt zugänglich machen.[vi]

Diese Jugendmedienstudien zeigen die dynamische Veränderung in der Mediennutzung, der die Medienpolitik Rechnung tragen muss. Natürlich sind junge Menschen diejenigen, die sehr schnell neue Formen der Mediennutzung adaptieren. Aber die gesamte Gesellschaft befindet sich in einem dramatischen Umbruch der Mediennutzung. Geografische Räume werden übersprungen, auch die zeitliche Verfügbarkeit wird uferlos ausgedehnt. Das traditionelle Rundfunkrecht stößt angesichts dieser Entwicklungen an seine Grenzen. Massen- und Individualkommunikation sowie Inhalt und Technik lassen sich in ihren Erscheinungsformen, Verflechtungen und Auswirkungen kaum mehr unterscheiden. Wer auf die in der Vergangenheit möglichen Differenzierungen seine Entscheidungen aufbaut, läuft sehr schnell Gefahr, möglicherweise die gegenteiligen Wirkungen auszulösen, die er eigentlich beabsichtigt hat.

Wir brauchen eine Verkürzung der Prüfverfahren

Insgesamt ist daher die Frage absolut berechtigt, ob das jetzt geltende Medienkartellrecht sowie das derzeit geltende Medienkonzentrationsrecht, das im Rundfunkstaatsvertrag geregelt ist, noch zeitgemäß sind. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk, der fast 8 Mrd Euro pro Jahr aus Rundfunkgebühren erhält, steht außerhalb der Betrachtung. Politik und Rechtsprechung in Deutschland haben ein klares Bekenntnis auch zum Entwicklungspotenzial des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Bereich der neuen Medien abgelegt. Der 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag, der gerade in den Landtagen beraten wird, hat nach dem Beihilfekompromiss mit der EU vom 27. April 2007 noch einmal diese Position bekräftigt und klar die Spielfelder zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Bereich abgegrenzt. Damit ist ein wesentlicher Beitrag für Vielfalt und Qualität im Medienmarkt gewährleistet, der unantastbar ist.

Dagegen agieren die werbe- und entgeltfinanzierten privatwirtschaftlichen Fernsehanbieter auf einem Markt mit einem Volumen von zirka 5,5 Mrd Euro pro Jahr. Die Sicherung der Meinungsvielfalt in diesem Bereich ist im Rundfunkstaatvertrag in den Paragrafen 25ff. geregelt. Der Rechtsanwalt Ulrich Koch fordert die Konzentrationskontrolle für privatrechtliche Fernsehveranstalter auf die kartellrechtliche Fusionskontrolle zu beschränken: „Einer zusätzlichen medienrechtlichen Konzentrationskontrolle bedarf es nicht." Die dafür angeführten Argumente sind nachdenkenswert.[vii] Aber auch wenn man dieser radikalen Forderung nicht folgt, besteht Handlungsbedarf. Wir brauchen im internationalen Wettbewerb handlungsfähige Medienunternehmen. Wir brauchen Rechtsicherheit und eine Verkürzung der Prüfverfahren.

Das Ziel der Sicherung der Vielfalt und der Pressefreiheit ist wichtig, doch dazu bedarf es langfristig leistungsfähiger Unternehmen. Wenn in Deutschland nur noch Unternehmer wie Berlusconi, Murdoch oder Abramowitsch, Finanzinvestoren oder branchenfremde milliardenschwere Unternehmen in der Lage sind, im Medienbereich Übernahmen in einer Größenordnung von 3 Mrd bis 4 Mrd Euro zu tätigen, weil nur sie nicht an der KEK-Hürde scheitern, und diejenigen inländischen Unternehmen, die die KEK-Hürde überwinden könnten, die finanziellen Möglichkeiten nicht haben, dann entstehen negative Folgen für unseren deutschen Qualitätsjournalismus, für den gesunden Wettbewerb, für Meinungsvielfalt und für Arbeitsplätze in Deutschland. In den Medien und in der politischen Diskussion wird über diesen Verfall vielfach Klage geführt. Es ist notwendig, hier jetzt etwas zu unternehmen.

Die Medienkontrolle muss sich vom Fernsehen lösen

Welche Möglichkeiten haben wir? Da gibt es zunächst - ganz praktisch und fern jeder Ideologie - Fragen einer gesteigerten Verfahrenseffizienz. Es wird beklagt, dass das medienrechtliche Verfahren häufig länger dauert als das kartellrechtliche. Ich fordere deshalb eine Einführung von Prüfungsfristen, die dem Kartellrecht vergleichbar sind. Werden Fristen also nicht eingehalten, gilt das Vorhaben als genehmigt. Es ist weiter zu analysieren, welche Sender und Programme einem Unternehmen zugerechnet werden müssen, wenn es nicht um Marktanteile, sondern um Meinungsmacht geht. Gegenwärtig werden einem Unternehmen unterschiedslos alle Beteiligungen oberhalb von 25 Prozent zugerechnet, unabhängig davon, ob das jeweilige Unternehmen mit einer 25-prozentigen Beteiligung überhaupt Einfluss auf redaktionelle Entscheidungen nehmen kann oder sich sein Einfluss neutralisiert, weil andere Anteilseigner gegenläufige Ziele verfolgen.

Die KEK legt den Wortlaut von Paragraph  26 Abs. 1 im Rundfunkstaatsvertrag als Befugnis zu einer umfassenden Prüfung aus, unabhängig vom Erreichen der Schwellenwerte des Absatzes 2, die nach Vorstellung des Gesetzgebers die erforderliche Rechtssicherheit ergeben und den bürokratischen Aufwand begrenzen sollten. Jedenfalls solange der Anknüpfungspunkt allein der bundesweite Fernsehmarkt ist, fordere ich, dass die KEK unterhalb der in Paragraph  26 Abs. 2 Sätze 1 und 2 des Rundfunkstaatsvertrags genannten Schwellen kein Prüfverfahren einleiten beziehungsweise Verfügungen erlassen darf. Paragraph 26 Abs. 1 würde durch Abs. 2 im Rundfunkstaatsvertrag abschließend konkretisiert. Konsequenterweise müsste dieses ‘Fernsehkonzentrationsrecht‘ langfristig zum Medienkonzentrationsrecht fortentwickelt werden. Die Medienkontrolle muss sich vom Fernsehen lösen und alle relevanten Medien einbeziehen. In einem ersten Schritt könnten die Regeln auf bundesweiten Rundfunk (Hörfunk und Fernsehen) erweitert werden.

Wenn man das Konzept der vorherrschenden Meinungsmacht beibehält, kann man für den erweiterten Rundfunkbereich auch die Vermutung bestehen lassen, dass es Vielfalt schützende Maßnahmen braucht, wenn der Zuschaueranteil von 30 Prozent innerhalb eines Jahres überschritten wird. Doch muss der Gesetzgeber selbst die Märkte klarer bezeichnen, die in eine Prüfung unterhalb dieser Schwelle einbezogen werden. Der Rundfunkstaatsvertrag spricht gegenwärtig pauschal von „medienrelevanten verwandten" Märkten. Künftig soll zwischen „verwandten" und „medienrelevanten" Märkten differenziert und die Begriffe sollen definiert werden.

Meinungsmacht ist nicht einfach addierbar

Bei der Berücksichtigung verwandter Märkte sollte die 25-Prozent-Grenze von Paragraph 26 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 des Rundfunkstaatsvertrags beibehalten werden, weil Meinungsmacht nicht einfach addierbar ist. Verwandt sind Märkte, die in vergleichbarer Weise wie bundesweiter Rundfunk geeignet sind, die Meinungsbildung zu beeinflussen, zum Beispiel regionaler Rundfunk, Tageszeitungen, Programmzeitschriften, Publikumszeitschriften und Online-Angebote. Für die Bewertung, ob die Stellung in einem verwandten Markt einem Zuschaueranteil von 25 Prozent gleichkommt, sind unter anderem Auflagen- und Abonnentenzahlen sowie der Umsatz heranzuziehen. Die erforderliche Gewichtung ist im Dialog mit der Medienforschung zu entwickeln und nicht normativ ‘keck‘ zu schätzen.

Medienrelevante Märkte sind Märkte, die mittelbar Meinung bilden oder eine Stellung auf dem primären Meinungsmarkt verstärken können. Dazu gehören die Fernseh- und Filmproduktion, aber auch Nachrichtenmaterial und Informationen sowie TV-Werbung, Rechtehandel, Technik und Übertragungswege. Anders als im Meinungsmarkt ist die wirtschaftliche Stellung gut messbar. Bei der Verbindung einer marktbeherrschenden Stellung auf einem medienrelevanten Markt mit unternehmerischer Tätigkeit auf einem Rundfunkmarkt könnte schon eine niedrigere Schwelle (zum Beispiel 20 Prozent Zuhörer und Zuschauer im Rundfunkmarkt) erforderlich werden.

Diese wenigen Änderungen könnten schon im 13. Rundfunkänderungsstaatsvertrag umgesetzt werden. Damit würde das Medienrecht den Anforderungen der digitalen Welt und der realen Mediennutzung besser Rechnung tragen, ohne die Grundsätze der Vielfaltsicherung über Bord zu werfen. Neben dem Medienkonzentrationsrecht müssen auch die kartellrechtlichen Bestimmungen in der nächsten Legislaturperiode im Lichte der neueren Rechtsprechung, die noch abgewartet werden muss, auf den Prüfstand. Möglicherweise jedoch genügt hier schon ein Umdenken bei der Definition der Märkte, um die veränderte Welt der Medien wieder zutreffend in ihren Abhängigkeiten und all ihren internationalen Bezügen abzubilden. Der Medienstandort Deutschland muss gerade in der Finanz- und Wirtschaftskrise, die auch an den Medienunternehmen nicht spurlos vorübergehen wird, gestärkt werden. Nur starke Unternehmen garantieren Arbeitsplätze und eine hohe Qualität des Journalismus, der sich im internationalen Wettbewerb behaupten muss. Auch für die Medienmärkte gilt: „Wir brauchen Unternehmer, die Orangenbäume pflanzen, und keine Manager, die ihr Ziel darin sehen, aus gepflückten Orangen den letzten Saft zu pressen."[viii]

 


[i] Hans Herrmann Nikolei:. Sarkozy plant „Medienchampions", FTD im Internet: http://www.ftd.de/technik/medien_internet/:

[ii] Götz Hamann: Falsche Freunde. In: „Die Zeit" vom 22.1.09

[iii] Horst Röper: Konzentrationssprung im Markt der Tageszeitungen. Daten zur Konzentration der Tagespresse in der Bundesrepublik Deutschland im I. Quartal 2008. In: „Media Perspektiven" Nr. 8/08

[iv] Björn Greif: AGOF will Page Impressions neu definieren. Im Internet: http://www.zdnet.de/news/business/0,39023142,39196513,00.htm

[v] Walter Klingler: Jugendliche und ihre Mediennutzung 1998 bis 2008 Eine Analyse auf Basis der Studienreihe Jugend, Information und (Multi-)Media/JIM. In: „Media Perspektiven" Nr. 12/08

[vi] Sabine Feierabend/Albrecht Kutteroff: Medien im Alltag Jugendlicher - multimedial und multifunktional. Ergebnisse der „JIM-Studie 2008". In:  „Media Perspektiven" Nr. 12/08

 [vii] Ulrich Koch: Medienkonzentrationsrecht in Deutschland: Sind wir auf dem richtigen Weg? In: „AfP - Zeitschrift für Medien- und Konzentrationsrecht", Nr. 4/07

[viii] Christoph Weiß: Verdammt zur Spitzenleistung, Unternehmer Medien GmbH, 3. Auflage 2007

 

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