Wurzeln in Seinsheim - Flügel in Europa
575 Jahre Marktrecht Seinsheim
Eberhard Sinner, MdL 25. April 2009
Kaiser Sigismund (geb. 15. Februar 1368 in Nürnberg gestorben 9. Dezember 1437 in Znaim/Mähren) hat am 29. August 1434 Seinsheim das Marktrecht mit Wochenmarkt und vier Jahrmärkten verliehen.
wir erinnern uns:
- Sigismund war Kurfürst von Brandenburg (1378 bis 1388 und 1411 bis 1415), König von Ungarn und Kroatien seit 1387, römisch-deutscher König seit 1410, König von Böhmen seit 1419, römisch-deutscher Kaiser von 1433 bis 1437
- während der Herrschaft Sigismunds aus dem Hause der Luxemburger
lebte Jan Hus
- fand das Konzil von Konstanz (1414 bis 1418) und das Konzil von Basel (1431 bis 1449) statt.
- gab es die ersten Husittenkriege (1419 bis 1436)
- „Ich kann an einem Tag tausend adeln und zu Rittern machen. Aber so mächtig bin ich nicht, dass ich in tausend Jahren einen Gelehrten machen könnte" ist ein berühmtes Zitat, mit dem Sigismund die Grenzen der Politik und die Priorität der Bildung aufzeigte.
- Sigismund galt als hoch gebildet, sprach mehrere Sprachen und war ein lebenslustiger Mensch. Er verteidigte Europa gegen die Türken (Schlacht von Nikopolis 1396) und scheiterte mit dem Versuch ein mittel-osteuropäisches Herrschaftsgebilde sicher zu lenken, was später in der Donaumonarchie die Habsburger ebenso versuchten.
In einer Rede von Gertrude Tumpel-Gugerell, Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank, beim Luxemburger Finanzmarkt-Forum 2005 Europa-USA-Asien am 14. Oktober 2005 wird Kaiser Sigismund zitiert:
»Lassen Sie mich mit einem weiteren Zitat eines großen Luxemburgers schließen: Kaiser Sigismund (1368-1437) ist zusammen mit seinem Vater Karl IV. (1316-1378) einer der großen spätmittelalterlichen Kaiser des römisch-deutschen Reiches, die das Haus Luxemburg hervorgebracht hat. Sigismund ist bekannt als wichtiger Reichs- und Kirchenreformer. In einem großen Reich mit zahlreichen internen Interessengegensätzen konnte er diese Reformen nur mit geschickter Diplomatie und überzeugenden Argumenten durchsetzen. Von ihm stammt der Satz: „Wer nicht übersehen und überhören kann, taugt nicht zum Regieren." Ich will hier mitnichten einem mittelalterlichen Machiavellismus das Wort reden, ich denke nur, dass wir zur Erfüllung der Vision eines einheitlichen Marktes für Finanzdienstleistungen einen Blick für das Große und Ganze brauchen. Es geht darum Europa fit für den globalen Wettbewerb zu machen. Da ist das Pochen auf die Beibehaltung nationaler Vorteile und geschützter Marktpositionen kontraproduktiv. Lassen Sie uns stattdessen gemeinsam für ein integriertes Europa eintreten. Nutzen Sie die Chance die ein integriertes Europa bietet. «
Franz-Josef Strauß hat den Satz Sigismunds später zeitgemäß in »everybody´s darling is everyboby´s Depp« fortentwickelt!
Zurzeit von Kaiser Sigismund war Kurs halten in der Politik genauso wichtig wie zu Zeiten von Franz Josef Strauß und auch heute, wenn es um die Vision Europa geht.
wie war damals die Welt in und um Seinsheim?
- der Markt in Seinsheim war sicher auf die Region beschränkt
- der normale Bürger war nicht privilegiert, er konnte nicht reisen, er konnte nicht studieren und er konnte nicht arbeiten, wann, wo oder wohin und wie er wollte. Seine Freiheit war begrenzt.
- Kaiser Sigismund und andere Privilegierte hatten die Freiheit an der Globalisierung teilzunehmen
- damals, im 15. Jahrhundert begannen die Kaufmannsgeschlechter der Tucher, Welser und Fugger den Handel mit der Welt, wir feiern heuer das Gedenkjahr 550 Jahre Fugger. Der Handel zwischen Bayern Indien ist auch schon über 500 Jahre alt.
- Es war die Zeit der großen Seefahrer. Am 12. Oktober 1492 entdeckte Christoph Kolumbus Amerika, woran noch heute der Kolumbustag erinnert.
- der Gewürzhandel blühte. Der Preis von Gewürzen in Europa war hundertfach höher als in Kalkutta. Die „Pfeffersäcke" wurden reich.
- deshalb gab es auch Betrug mit Gewürzfälschung. Trotz strenger Strafen - der Täter wurde mitsamt seinem Produkt verbrannt - war es kaum möglich, diese einzudämmen.
- auch die Pest wurde damals von Indien nach Europa importiert.
Heute nehmen alle an der Globalisierung teil, nicht nur die Privilegierten.
- die ganze Welt ist nur einen Mausklick weit von Seinsheim entfernt, wir können an jedem Punkt der Welt von Seinsheim aus Geschäfte machen und von jedem Punkt der Welt können in Seinsheim Geschäfte gemacht werden.
- mindestens die Hälfte unserer Arbeitsplätze hängen am Export, bei dem Deutschland Weltmeister ist.
- Deutsche Banken haben toxische Papiere von über 800 Milliarden € eingekauft, an deren Anfang eine Hypothek an Joe Sixpack aus Texas zum Bau eines Häuschen stand. Der Häuslebauer wurde aber über sein Zinsrisiko im Unklaren gelassen, der Anleger wurde über das Risiko der zu erwartenden Rendite systematisch getäuscht.
- im Gegensatz zu den betrügerischen Gewürzhändlern des Mittelalters drohen aber keine drastischen Strafen, sondern es werden Bonuszahlungen ausgeschüttet und die Übernahme der Verluste durch die Steuerzahler erwartet.
- Heute versuchen wir uns davor zu schützen, dass das Schweinegrippenvirus eine weltweite Pandemie auslöst.
Inzwischen hat jeder erkannt, dass es für die reale Wirtschaft keinerlei Sinn macht Hypotheken x-mal umverpackt als "Produkte" um den Globus zu verscherbeln. Man kann keine 25 Prozent Rendite auf das Eigenkapital erzielen, wie das Josef Ackermann von der Deutschen Bank offenbar noch heute will, es sei denn man ist ein genialer Erfinder wie Bill Gates und hat Hunderte Millionen von Bürgern weltweit als Kunde. Wer mit Bankgeschäften solche Renditen einfahren will, arbeitet im Hochrisikobereich. Das ist Casino-Kapitalismus, der Wetten auf zukünftige Preisentwicklungen macht, auf wirtschaftliche Blasen, statt auf wirtschaftliche Blüte setzt und damit weltweite Risiken für Hunderte von Millionen von Menschen schafft, die um den Ertrag ihrer Arbeit gebracht werden.
Was ist zu tun?
wir müssen nicht weit gehen: der Benediktinerpater Anselm Grün hat gefordert: »Humanität Globalisieren - Globalisierung Humanisieren«
- wir haben geregelt, dass Kinderspielzeug, das aus China nach Europa kommt, streng überwacht wird, damit nicht schädliche Stoffe die Gesundheit unserer Kinder gefährden.
- wir haben geregelt, dass chemische Produkte nur nach strenger Prüfung auf den Markt kommen und haben dazu eine europäische Verordnung REACH (Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals) erlassen.
- wir lassen es aber zu, dass „finanzielle Massenvernichtungswaffen" (Warren Buffet, amerikanischer Multimilliardär) weltweit gehandelt werden und ihre negative Wirkung entfalten, ohne dass jemand diese prüft, zulässt und registriert.
Die Fürstlich Castellsche Bank, die älteste Bank Bayerns, auch ganz in unserer Nähe, hat das Festhalten an bewährten Grundsätzen,
die Rückbesinnung auf Tradition zu ihrem Geschäftsprinzip seit 1774 gemacht. »Good Old Fashioned Banking« schafft Vertrauen und Wohlstand. Ethische Werte im Sinne von Anselm Grün sind die Basis dieses Vertrauens, das Innovation und Wohlstand schafft!
Diese Grundsätze umzusetzen, erfordert einen weltweiten Ordnungsrahmen, jeder Markt braucht Ordnung, der mittelalterliche Markt von Seinsheim genauso wie der globale Markt von heute. Wir brauchen heute dazu eine starke Europäische Union, die in der Lage ist mit dem Potenzial von 27 Mitgliedstaaten und fast 500 Millionen Verbrauchern, diese Ordnung durchzusetzen. An einer solchen Vision hat auch Kaiser Sigismund gearbeitet.
- wir brauchen ein Europa der Vielfalt in der Einheit und der Einheit in der Vielfalt. Es ist in der Europäischen Union gelungen ein Omelette zu bereiten, ohne die Eier zu zerschlagen!
- wir brauchen die gemeinsame Währung des Euro, wir brauchen aber auch die lokale und regionale Vielfalt der Sprachen, Dialekte, Schulen, Universitäten, Speisekarten und vieles mehr. Globalisierung darf nicht Coca-Colarisierung des Lebens sein.
- wir brauchen den europäischen Geleitzug, um auf globalen Meeren segeln zu können, wir müssen aber auch wissen, wo unser Heimathafen ist.
- Seinsheim ist unserer Heimat, unser Markt ist die Welt, das bedeutet heute Marktrecht in Seinsheim. Jeder Beruf weltweit steht uns offen! Das ist heute von Seinsheim aus möglich!
- wir sind weltweit aber nur erkennbar, wenn wir unsere Identität, das was uns ausmacht, bewahren. Dazu gehört Sprache und Kultur, die Dorferneuerung, dazu gehört der Bocksbeutel vom Seinsheimer Hohenbühl, der weltweit unverwechselbar ist, dazu gehört die Tradition unserer Vereine, dazu gehört der Gestaltungsspielraum der lokalen Selbstverwaltung.
- Wir brauchen dezentral organisierte hot spots der Innovation statt zentralistischen Gleichschritt. Das heißt Mix aus Mittelstand und Großbetrieben wie Knauf in der Fläche. Lernen von den Besten im Wettbewerb der Innovation bringt uns alle nach vorne.
- wer sich seiner Wurzeln und seiner Flügel bewusst ist, wird im globalen Wettbewerb die Nase vorne haben.
575 Jahre Marktrecht Seinsheim erinnert an die Wurzeln und will diese Wurzeln vertiefen.
575 Jahre Marktrecht Seinsheim erinnert aber auch an die europäische Vision Kaiser Sigismunds, die in der Europäischen Union verwirklicht wurde.
Johann Wolfgang von Goethe hat einmal gesagt, das wichtigste, was Eltern ihren Kindern geben müssen, sind Wurzeln und Flügel!
Seinsheim gibt uns die Wurzeln und Europa die Flügel, um in der globalen Welt Zukunft zu haben und Zukunft zu schaffen!
den Bürgerinnen und Bürger von Seinsheim alles Gute und Gottes Segen!