Die große Weisheit des ehrwürdigen Peutinger-Collegiums beweist sich
allein schon am heutigen Datum, um über Chancen, aber auch Grenzen
einer „Politik von unten nach oben" zu diskutieren.
14. Juli, Französischer Nationalfeiertag - eingedenk der Geburtsstunde der
modernen Demokratien westlicher Prägung im Jahr 1789.
Doch bei genauerem Hinsehen ist die Französische Revolution nur zum
Teil als ein Volksaufstand von „unten nach oben" zu interpretieren, und
vielfach war dieser Aufstand getrieben von Hunger und Not und weniger
von politischen Inhalten. Historische Tatsache ist, dass die Französische
Revolution in weiten Teilen das Projekt eines neuen ökonomisch
erfolgreichen und akademisch gebildeten Bürgertums war - also ein Projekt
neuer Eliten gegen die alten Eliten im Adel, ein Projekt „von oben gegen
oben".
„Demos" der französischen Demokratie war zunächst eine kleine Schicht
der bürgerlichen Öffentlichkeit, während die große Mehrheit der Menschen
so lebte, wie die Jahrhunderte zuvor, nämlich in Analphabetismus und
Unfähigkeit zu Selbstbestimmung und weit weg von rationaler, ausreichend
informierter, Argument und Gegenargument abwägender politischer
Meinungsbildung.
Die Geschichte der Demokratien westlicher Prägung zeigt zweierlei: Ohne
Reformen von „oben nach unten" durch aufgeklärte Eliten wäre der Weg
zum demokratischen Verfassungsstaat nicht möglich gewesen.
Und zum zweiten: Bildung ist der wichtigste Schlüssel zur Emanzipation
vom Untertanen zum Staatsbürger. Ohne ausreichende Befähigung der
Menschen zum demokratisch urteilsfähigen „Citoyen" bleibt jede Politik von
„unten nach oben" hehrer Anspruch. Und ich sage noch deutlicher: Mit
Berufung auf „Volkes Stimme" sind die schlimmsten Verbrechen der
Menschheitsgeschichte legitimiert worden. Das bleibt bis heute ein
Dilemma demokratischer Entscheidungsfindung: Bürgerentscheid,
Volksabstimmung, Mehrheitsentscheid garantieren nicht Wahrung der
Menschenrechte, Wahrung der Minderheitenrechte, Wahrung der
Zukunftsverantwortung. Nicht zuletzt das Schicksal der Weimarer Republik
ist uns Deutschen ein mahnendes Beispiel. Deshalb stelle ich meinem
Plädoyer für mehr Politik von unten nach oben das Bekenntnis zur
Gewaltenteilung unserer repräsentativen Demokratie voraus:
Dazu gehört die „balance of power" zwischen Exekutive, Legislative und
Judikative und dazu gehört der absolute Schutz der vorstaatlichen
Grundrechte, die auch nicht per Volksabstimmung aus den Angeln
gehoben werden können.
Ich nenne nur ein Beispiel für die Grenzen von Bürgerentscheiden und
Volksabstimmungen, das immer wieder herangezogen wird: Im „Deutschen
Herbst" 1977 gab es in Umfragen eine Mehrheit für die Einführung der
Todesstrafe gegen die RAF-Terroristen. Viele sprachen sich auch für die
Folter von Terroristen aus, um Menschenleben zu retten.
Bei diesen hoch emotionalen Fragen sind gerade in unserer
Mediendemokratie, die zu Hysterie und Kurzfristigkeit neigt, die Grenzen
einer „Politik von unten nach oben" klar und deutlich zu ziehen.
- Anrede -
„Erkläre mir und ich werde vergessen. Zeige mir und ich werde mich erinnern. Beteilige mich und ich werde verstehen."
(Konfuzius)
Dieses Sprichwort führt uns mitten hinein in die Voraussetzungen, Chancen
und Grenzen einer Politik der subsidiären Entscheidungen und der
Bürgermitwirkung.
„Beteilige mich und ich werde verstehen."
ist ein wirksames Mittel gegen die viel beschworene Politikverdrossenheit,
gegen die Vertrauenskrise in unserer Parteien-Demokratie, gegen den
Ansehensverlust von Parlamenten und staatlichen Institutionen in Land,
Bund bis hin zu Europa.
Das Ideal wäre: Politik denkt langfristig, entscheidet mutig und überzeugt
die Menschen. Doch betrachten wir zum Beispiel die Gesundheitspolitik,
sieht die Realität in den Augen der Menschen ganz anders aus. Über
Gesundheitsreformen wird nun wahrlich seit mindestens fünfzehn Jahren
nachgedacht und diskutiert. Im Ergebnis haben wir aber Gesetze, bzw.
Reformen, die nur zwei bis drei Jahre getragen haben. Auch die aktuellen
Reformen werden in wenigen Jahren an ihre Grenzen stoßen.
Der einzige Ausweg aus diesem Hamsterrad der kurzfristigen „Reformitis"
ist, dass Politik die Erkenntnisprozesse bei den Bürgerinnen und Bürgern
fördert und dass die Bürgerinnen und Bürger in die Entscheidungen besser
miteinbezogen werden. Das ist nicht immer einfach.
Denn so lange wir Meinungseliten über unsere Politik abstrakt und
intellektuell sprechen, finden wir breite Zustimmung! Wenn wir unkonkret
von Generationengerechtigkeit, Nachhaltigkeit und von unseren christlichen
Grundsätzen sprechen, die uns den Egoismus der Gegenwart zu Lasten
der Zukunft verbieten, dann ernten wir viel Beifall.
Sobald es aber an konkrete Einsparungen bei den lieb gewonnenen
Besitzständen geht überwiegt die Ablehnung! Nach dem Motto: Wasch mir
den Pelz, aber mach' mich nicht nass!
Das zeigen auch alle Umfragen: In der Bevölkerung besteht zwar eine
abstrakte Bereitschaft zu Reformen für mehr langfristiges Handeln und
Generationengerechtigkeit, aber konkrete Belastungen werden abgelehnt.
Hinzu kommt ein zeitlicher Faktor: Positive langfristige Folgen von aktuellen
Belastungen werden erst später spürbar. Es entsteht also eine zeitliche
Lücke zwischen bitterer Medizin und der Gesundung. Diese Lücke müsste
die Politik mutig durchstehen. Ich denke, der segensreiche Weg zum
Haushalt ohne Neuverschuldung in Bayern ist ein gutes Beispiel. Wir
brauchen das emotionale Verantwortungsgefühl, den politischen Willen und
demokratische Mehrheiten zu einer nachhaltigen, langfristigen Kosten-
Nutzen-Rechnung.
Dabei ist aber eines klar: Volksbeschimpfungen und Kapuzinerpredigten
mit dem erhobenen Zeigefinger von Verzicht und Sparen bringen keine
Motivation zu notwendigen Reformen und langfristigem Denken. Statt die
„Uneinsichtigkeit des Volkes" und das Erkenntnisdefizit der organisierten
Interessen zu beklagen, sollten wir Politiker uns an die eigene Nase fassen
und erkennen: Wir haben in Deutschland nach wie vor ein massives
Vermittlungsproblem.
Alle Parteien, ob in Regierung oder Opposition, stehen heute vor den
Fragen: Wie schaffen wir Zustimmung zu Reformen, wenn wir die
Gegenwartsinteressen sofort belasten müssen, um erst auf längere Sicht
den Zukunftsinteressen nutzen zu können?
Damit komme ich zu meinem Thema zurück:
Die Kraft zur Zukunft muss aus der Mitte der Gesellschaft kommen. Die
Kraft zur Zukunft kann keine Regierung, kein Politbüro und das kann in
seinem Unternehmen auch nicht der Vorstandsvorsitzende von oben nach
unten verordnen. Die Kraft zur Zukunft muss von den Menschen aus
eigener Überzeugung und als emotionales Herzensanliegen gelebt werden.
Aus der Überforderung des Staates und der Unterforderung bürgerlicher
Beteiligung und staatsbürgerlicher Eigenverantwortung gibt es nur einen
Ausweg: Der zukunftsfähige Staat muss mehr von unten nach oben gebaut
werden.
Amitai Etzioni hat in seinem Hauptwerk Active Society schon 1968 eine
soziologische Theorie politischer und gesellschaftlicher Prozesse
entworfen, die bis heute aktuell ist. Er plädiert für die gesellschaftliche
Selbstregulierung von unten her durch die Aktiven und ihr engagiertes
selbstbestimmtes Handeln in der Gesellschaft. Er prägte in diesem
Zusammenhang den politikwissenschaftlichen Begriff der „Responsivität":
die Möglichkeit einer Organisation oder Gesellschaft, sensibel auf Anliegen
ihrer Mitglieder zu reagieren.
- Anrede -
„Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten."
(Chinesisches Sprichwort)
Im Sinne dieses Sprichworts will ich nicht als akademischer Theoretiker,
sondern von meinen Erfahrungen als Politiker berichten, der als ehemaliger
Verbraucherschutzminister in Bayern erstmals das Verfahren der
Bürgergutachten angewandt hat.
In einer Regierungserklärung hatte ich im April 2001 angekündigt, wir
würden angesichts der tiefen Vertrauenskrise durch BSE auch „Otto
Normalverbraucher" mit einem Bürgergutachten fragen, was er wirklich
haben möchte für mehr Verbraucherschutz und was nicht.
Am 16. August 2001 wurde der Auftrag an
Professor Dienel von der Forschungsstelle Bürgerbeteiligung und
Planungsverfahren für das Bürgergutachten zum Verbraucherschutz in
Bayern erteilt.
Im Zeitraum von September 2001 bis März 2002 starteten dann 18
Planungszellen für vier Tage mit insgesamt 450 Personen, die nach dem
Zufallsprinzip ausgelost worden waren.
Ich selbst habe mehrmals Planungszellen besucht und habe mich in den
Dialog eingeschaltet. Die hohe Motivation und das ernsthafte Engagement
haben mich tief beeindruckt. In der Summe lautete das Ergebnis: Die
Bürger wollen vor allem gut informiert werden und dann eigenverantwortlich
entscheiden können, im Sinne eines „souveränen Verbrauchers".
Wichtig war den Bürgern vor allem:
- eine verständliche Deklarierung der Waren,
- eine Verbrauchererziehung ab dem Kindergarten,
- ein Engagement für gesünderes Ernährungsverhalten.
Ein Jahr nach Übergabe des Bürgergutachtens habe ich am 21. Juli 2003
den Umsetzungsbericht vorgestellt. Wir konnten zeigen, dass die
bürgerschaftliche Politikberatung nicht im Sand verlaufen ist, sondern
konkrete Folgen für das Regierungshandeln hatte. Wir konnten zeigen: Der
Verbraucher ist der beste Experte für den Verbraucherschutz.
Das Bürgergutachten ist eine notwendige Unterstützung zu
Expertengutachten. Für langfristige Entscheidungen brauchen wir das
Fachwissen der Experten genauso wie die Erfahrung der Bürger.
Gerade in der BSE-Krise wurde mir klar: Bürgerbeteiligung ist das beste
Mittel gegen das Gefühl des Ausgeliefertseins gegenüber den Experten
und gegen das Gefühl der Hilflosigkeit gegenüber anonymen
Entscheidungsprozessen.
Nur wer nichts weiß, muss alles glauben.
Nur wer informiert ist, kann auch kompetent mitentscheiden. Die mit dem
Verfahren des Gutachtens verbundene Informationsvermittlung an die
Bürger hat sich als besonders wirkungsvoll erwiesen, weil die Teilnehmer
ihre Aufgabe als wertvoll und ernsthaft verstanden haben.
Informationsvermittlung und Bürgerbeteiligung profitieren in enger
Symbiose voneinander.
Eine weitere Erfahrung des Bürgergutachtens ist für mich: Unabhängige,
auch kontroverse Information entzieht irrationalen Angstszenarien den
Boden. Leider sind beunruhigende und damit schlagzeilenträchtige
Gerüchte teilweise stärker als die beruhigende Wahrheit. Gegen die
Methoden einer Bedrohungs-Branche, die aus irrationalen Ängsten ihre
Suppe kocht und gut davon lebt, ist die diskursive, plurale
Informationsvermittlung im Zuge des Bürgergutachtens eine gute und
ernüchternde Medizin.
Das Bürgergutachten ist nicht nur bei einer Einzelfrage wie dem
Verbraucherschutz, sondern gerade auch bei einer breiten, auf die Zukunft
unserer Heimat Bayern insgesamt gerichteten Fragestellung von hohem
Nutzen.
Deshalb habe ich mich beim Herrn Ministerpräsidenten dafür stark
gemacht, das Bürgergutachten erstmals dazu einzusetzen, die Ziele und
Empfehlungen zur Landespolitik insgesamt abzufragen und in die
Erarbeitung des Regierungsprogramms für die kommende
Legislaturperiode einfließen zu lassen.
Gesagt, getan. Was in der Regierungserklärung angekündigt wurde, liegt
nun als Ergebnis vor. Anfang Juni haben engagierte Bürgerinnen und
Bürger unserem Ministerpräsidenten das Bürgergutachten „Chancen fürüberreicht.
Über 200 nach einem Zufallsverfahren ausgewählte Bürger aus ganz
Bayern haben über die Zukunft unseres Landes nachgedacht und ihre
Ideen festgehalten.
Wer das Bürgergutachten liest, der erkennt: Da wurde offensichtlich um
Ziele und Maßnahmen gerungen, da wurde gegeneinander abgewogen, da
haben Kostenüberlegungen zu Neubewertungen geführt, da wurden
Zielkonflikte ausgetragen und Kompromisse gefunden - nicht anders, als
wir es in der politischen Verantwortung auch tun müssen.
Die Abwägung zwischen Wünschbarem und Realisierbarem fällt nicht
immer leicht. Lassen Sie mich ein Beispiel dafür herausgreifen. In der
Arbeitseinheit zur Energiepolitik wurde gefragt: „Wie soll Bayerns
Energieversorgung in der Zukunft gesichert werden?"
Die Antwort war erstaunlich: Nach dem als wichtigste Maßnahme
genannten Einsatz erneuerbarer Energien haben die Bürger bereits als
zweitwichtigste Maßnahme die Verlängerung der Laufzeiten bestehender
sicherer Kernkraftwerke empfohlen.
Das ist auch die Position der Staatsregierung. Aber ich muss zugeben: In
dieser Klarheit hat mich das überrascht. Nach den Meinungsumfragen hätte
ich erwartet, dass eine solche Position eher wenig populär ist. Aber man
sieht: Das Bürgergutachten führt mit sachlicher Information, intensiver
Diskussion und der Aufgabenstellung, eine realisierbare Lösung
vorzuschlagen, nicht zu oberflächlich populären, sondern zu sachlich
fundierten, der Realität Rechnung tragenden Empfehlungen.
Besonders gefreut hat mich das Ergebnis zur Generalfrage „Wo steht
Bayern? Wie erleben, wie empfinden Sie Bayern?" Die ganz große
Mehrheit hat geantwortet - ich zitiere die mit Abstand am häufigsten
genannten Begriffe der Bürger: „Selbstbewusstsein, Identifikation,
Zusammengehörigkeit, Heimatverbundenheit, Tradition, Wirtschaftskraft,
sicheres Land, konservativ".
Das bestätigt uns: Das höchste Ziel der Bürger ist, dass Bayern gleichzeitig
erfolgreicher Wirtschaftsstandort und lebenswerte Heimat bleibt - mit
Tradition und Fortschritt, Stabilität und Dynamik, für einen Wohlstand mit
Werten und Tiefgang. Purer Materialismus im Hier und Heute, das Leben
als Schnäppchenjagd von Optionen und kurzfristigen Befriedigungen ist
nicht bayerisches Lebensgefühl.
Im Bürgergutachten nennen die Menschen zum zweiten die Fachthemen,
die ihnen an erster Stelle am Herzen liegen.
Erstens: Bildung. Bildung als der Schlüssel schlechthin für eine gute
Zukunft unseres Landes und jedes Einzelnen bekommt im Bürgergutachten
mit Abstand das größte Gewicht.
Hier liegt auch die Priorität im neuen Regierungsprogramm der
Staatsregierung.
Wir haben mit der Weiterentwicklung des achtjährigen Gymnasiums G8
und mit über 2.200 zusätzlichen Lehrerstellen einige kritische Punkte
angepackt. Wir haben mit der Einrichtung der FOS 13 und der Ausweitung
des Zugangs von Meistern zur Hochschule die Durchlässigkeit unseres
Bildungssystems erhöht und mit Vorkursen zur Sprachförderung die
Chancen benachteiligter Kinder auf eine erfolgreiche Schullaufbahn
verbessert.
In der kommenden Legislaturperiode wollen wir weitere Weichen zur
Optimierung unseres Bildungssystems stellen:
- Ausbau des Ganztagsangebots,
- Stärkung der Hauptschule,
- weitere Erhöhung der Durchlässigkeit,
- Verbesserung der individuellen Förderung und kleinere Klassen.
Erfreulich ist für mich die Unterstützung für unser Festhalten am
gegliederten Schulsystem. Auch beim Thema Bildung zeigt sich die Stärke
des Bürgergutachtens, Verzerrungen in der Wahrnehmung der öffentlichen
Meinung durch die Dominanz mancher Interessenvertreter zu korrigieren.
Mein Fazit ist ganz klar: Wir werden auch künftig keine Experimente mit
einer Einheitsschule machen, die anderswo längst ihre Untauglichkeit
bewiesen hat!
Als zweitwichtigstes Feld sehen die Bürger die Förderung von Arbeit,
Wohlstand und Wirtschaft. Sie haben dazu vor allem die Stärkung des
Mittelstands und der Forschung und Entwicklung sowie des ländlichen
Raums empfohlen.
Auch hier werden wir in unserem Regierungsprogramm wesentliche
Schwerpunkte setzen. Wir wollen die für den gescheiterten Transrapid
reservierten Mittel von 490 Millionen Euro für ein neues
Innovationsprogramm „BayernFIT - Forschung Innovation Technologie"
nutzen. Im ganzen Land werden wir in neue Forschungs- und
Entwicklungs-Leuchttürme investieren und vor allem in Nord- und
Ostbayern sowie in Schwaben neue Impulse geben. Auch der
Mittelstandspolitik wollen wir noch mehr Schub geben - von der
Verbesserung der Konditionen im Mittelstandskreditprogramm über neues
Wagniskapital bis zum besseren Zugang zu Fördermitteln für Forschung
und Innovation.
Einen dritten Schwerpunkt wollen die Bürger bei der Förderung von
Familien gesetzt wissen.
Dazu gehört zum einen die direkte finanzielle Förderung, die wir mit
Verbesserungen beim Landeserziehungsgeld, mit der Einführung des
Betreuungsgeldes auf Bundesebene und mit der Erhöhung von Kindergeld
und Kinderfreibeträgen verbessern wollen.
Zum anderen wollen wir uns zum Ziel setzen, allen Familien, die dies
wollen oder brauchen, ein verlässliches Betreuungsangebot für Kinder von
zwei bis vierzehn Jahren zu bieten. Diese Forderung nimmt auch im
Regierungsprogramm einen wichtigen Rang ein.
Das Bürgergutachten ist eine wirksame Medizin gegen Staatsferne und
Politikverdrossenheit der Bürger. Ich denke dabei ganz aktuell auch an die
Legitimationskrise Europas. Das „Nein" der Iren, aber auch schon die
gescheiterten Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden
zum ersten Verfassungsentwurf haben gezeigt: Europa muss wieder nah
zu den Bürgern kommen.
Wenn die europäische Politik das Votum der Volksabstimmungen ignoriert
und weiter macht wie bisher, werden sich viele Menschen in ihrer
ablehnenden Haltung zu Europa bestätigt fühlen. Europa hat nur eine
Zukunft, wenn es sich wieder den Menschen zuwendet und für die
Menschen da ist.
Ich schlage deshalb vor, mit Bürgergutachten Anregungen und Vorschläge
für mehr Bürgernähe in Europa zu sammeln. Ein Europa der Bürger und
nicht der Bürokraten braucht nicht nur nachvollziehbare Entscheidungen,
Transparenz und die Konzentration auf das Wesentliche, sondern auch
eine neue Kultur der Bürgerbeteiligung.
Wir wollen ein starkes Europa! Dafür brauchen wir das Vertrauen der
Menschen. Nur wenn die Menschen emotional ja sagen zu Europa, können
wir unsere gemeinsamen Werte und Interessen selbstbewusst vertreten.
- Anrede -
Ich fasse zusammen.
Erstens: Das Bürgergutachten steht für die Aktive Bürgergesellschaft in der
Tradition von christlicher Soziallehre, von Subsidiarität und der
Verantwortungsgemeinschaft aller Staatsbürger.
Zweitens: Das Bürgergutachten ist ein wichtiges Korrektiv zur sogenannten
„veröffentlichten Meinung", in der oft lautstark vertretene Lobbyinteressen
mehr Gewicht haben, als ihnen im gesamtgesellschaftlichen
Meinungsspektrum eigentlich zukommt.
Und das Bürgergutachten sagt drittens über die verbreiteten
Expertengutachten hinaus, was die tatsächlich von politischen
Entscheidungen Betroffenen von verschiedenen Alternativen halten und
was sie aus Sicht ihrer Lebenserfahrung empfehlen.
Monopole lähmen den Wettbewerb um die bessere Lösung. Das gilt auch
für Entscheidungsmonopole von Staat, Politik und der so genannten
Experten.
Zum Beispiel müssen wir die Türen der staatlichen Einrichtungen wie
Schulen, Hochschulen oder Museen noch weiter öffnen für
bürgerschaftliche Mitwirkung, für engagierte Bürger, für Stifter und Mäzene.
Kurt Biedenkopf hat einmal sehr optimistisch gesagt - ich zitiere: „Der
kleine Mann ist groß geworden."
Ich meine, vielfach ist der kleine Mann auch klein gehalten worden durch
ein falsches Staatsverständnis, das auf Alimentierung statt auf Aktivierung
setzt, das an Regulierung von oben nach unten glaubt, statt auf
Selbstregulierung von unten nach oben.
Ich bin überzeugt: Die Überregulierung durch den Staat und mangelnde
Selbstregulierungskräfte der Gesellschaft sind kommunizierende Röhren.
Je mehr Gesetze und Verordnungen es gibt - alle mit bester Absicht für
eine bessere Welt erlassen - umso weniger werden selbstverständliche
Regeln und Tabus von den Menschen verinnerlicht und gelebt.
Andere sehen in der Gesellschaft vor allem die Quelle von Problemen, um
die sich der Staat kümmern müsse. Ich sehe in der Gesellschaft vor allem
die Quelle von Lösungen und die Quelle der Kreativität für den Fortschritt.
Wir in Bayern setzen auf Zutrauen zum bayerischen Volk. Und die
Erfolgsgeschichte Bayerns und seiner politischen Stabilität zeigt:
Zutrauen schafft Vertrauen.
Im Englischen sagt man treffend:
„Give them choice and voice!"
Gebt Ihnen Wahl und Stimme!
Wenn der Bürger überzeugt ist, dass seine Erfahrung und sein Urteil
zählen, dann werden aus passiven Zuschauern aktive Staatsbürger, dann
wächst mehr Eigenverantwortung, mehr Engagement, mehr Zufriedenheit
mit dem Staat, mehr Vertrauen und mehr Zuversicht für die Zukunft.
Lösen wir den falschen Gegensatz „oben versus unten" auf!
„Es kommt auf jeden an! Niemand steht am Rand! Jeder wird gebraucht!
Gemeinsam für die Zukunft!".
Das ist unser Weg für ein erfolgreiches, starkes und soziales Bayern im
21. Jahrhundert
alle"